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Mikroorganismen – klein, aber oho!
Von der Summe aller Zellen, die einen menschlichen Organismus bilden, machen die körpereigenen Zellen mit menschlicher DNA weniger als die Hälfte aus. Das, was man gemeinhin als „mein Körper“ bezeichnet, besteht zu etwa 80% aus Mikroorganismen, die mit dem Gesamtorganismus interagieren. Im optimalen Fall helfen die Mikroorganismen bei der Verdauung und schützen durch ihre Anwesenheit den Körper vor überbordender Vermehrung von Krankheitserregern. Wenn das Gleichgewicht in der Zusammensetzung des Mikrobioms kippt, leidet das Immunsystem: Es entstehen Entzündungen und die Anfälligkeit für andere Krankheiten nimmt zu.
Auch im Ackerboden erfüllt das Mikrobiom wichtige Funktionen. Ein Beispiel sind die Mykorrhiza-Pilze, die eng mit den Wurzeln der Nutzpflanzen kooperieren: Die Pilzhyphen (Hyphen sind die fadenartigen Vegetationsorgane der Pilze, deren Gesamtheit das sogenannte Myzel bildet) fungieren als Verlängerung der Pflanzenwurzeln und machen Pflanzennährstoffe und Wasser leichter verfügbar – im Gegenzug sondert die Pflanze Wurzelexsudate (aus organischen Verbindungen wie z.B. Zucker, Aminosäuren, Hormonen und Vitaminen bestehendes Ausscheidungsprodukt der Wurzeln) aus, die den Pilzen als Nahrung dienen. Zum Mikrobiom gehören auch zahlreiche Bakterien wie z.B. die Knöllchenbakterien, die an Leguminosenwurzeln (= Wurzeln von Hülsenfrüchtlern) Stickstoff binden und so die Pflanzen damit versorgen. Im gesamten Boden setzen Mikroorganismen organische Substanz um, fördern den Humusaufbau, sind an einer gesunden Krümelstruktur des Bodens beteiligt und erhöhen seine Fähigkeit, sowohl Starkregenereignisse als auch lange Trockenperioden abzupuffern. Ein ausgewogenes Mikrobiom im Boden fördert also das Pflanzenwachstum. Gerät das Bodenleben in Schieflage, leiden auch die Pflanzen.
Und noch einen Schritt weiter reicht der Einfluss des Bodenmikrobioms. Denn die Zusammensetzung der Mikroben überträgt sich ein stückweit vom Boden auf die Pflanze. Bodenorganismen befinden sich nicht nur auf der Oberfläche der Pflanze, sondern auch in ihrem Inneren, in und zwischen den Pflanzenzellen. Das führt zum Beispiel dazu, dass man etwa 100 Millionen Bakterien aufnimmt beim Verzehr eines (gewaschenen!) Apfels – so die Biologin, Biotechnologin und Hochschullehrerin für Umweltbiotechnologie Frau Professor Dr. Gabriele Berg in ihrem Vortrag „Das Pflanzenmikrobiom als Quelle für Erkenntnisse für eine nachhaltige Landwirtschaft“, den sie auf einer Fachtagung in der Gemeinschaft Schloss Tempelhof im Mai 2024 hielt. Je nachdem also, ob vom Boden über die Pflanze ein ausgewogenes oder ein bereits gestörtes Mikrobiom in den Menschen gelangt, kann sich ein Lebensmittel gesundheitsförderlich oder eben auch schädlich auf den menschlichen Organismus auswirken.
Mikrobiom und gesunde Ernährung
Dies bringt ins Thema „gesunde Ernährung“ einen interessanten weiteren Aspekt. Gilt die Forschung oftmals der Frage, welche Pflanzen bei welchen Krankheiten hilfreich sind, legt die Mikrobiomforschung nun nahe: Es ist nicht die Pflanzenart allein, die zur Gesundheit des Menschen beiträgt. Auch die Frage, ob eine Pflanze in einem gesunden Boden gewachsen ist, hat entscheidenden Einfluss. Verfolgt man nun noch den Forschungszweig weiter, der sich mit den nachweisbar vorhandenen Zusammenhängen zwischen gesunder Darmflora und psychischer Gesundheit befasst, dann erschließt sich eine weitere Dimension des Einflusses eines gesunden Bodens auf den Menschen. Dementsprechend scheint es also sinnvoll, den Boden nicht zu einseitig als Faktor einer effektiven Lebensmittelproduktion zu betrachten, sondern vielmehr als Lebensraum für eine Vielzahl von Kleinstlebewesen.
Und diesen Lebensraum gilt es, so zu gestalten, dass ein vielfältiges Mikrobiom sich etablieren kann, denn in diesem Fall bedeutet Vielfalt Gesundheit und Stabilität, die sich vom Boden über die Pflanzen auf Tiere und Menschen und deren körperliches und seelisches Wohlbefinden ausweitet. Diese Denkweise ist unter dem Begriff „Planetare Gesundheit“ in Ansätzen bereits in der Politik zu finden.
Mikrobiom-freundliche Landwirtschaft
Die praktischen Schritte zu einer Mikrobiom-freundlichen Landwirtschaft sind nicht neu, sie stehen nur immer wieder im Gegensatz zu Anbaumethoden, die auf eine möglichst effektive Lebensmittelproduktion zielen. Kosten lassen sich kurzfristig am besten reduzieren, wenn unkrautfreie Monokulturen auf großen Flächen mit großen Maschinen betreut werden. Ein vielfältiges Mikrobiom entsteht, wo kleine Anbauflächen immer wieder unterbrochen werden von Blühstreifen und Heckenstrukturen, wo viele verschiedene Kulturen nacheinander oder auch nebeneinander wachsen. Die Liste unterschiedlicher Prioritäten lässt sich beliebig fortsetzen. In jedem Fall stellt sich die Frage an uns Menschen, wie wichtig uns auf der einen Seite der Preis der Lebensmittel und auf der anderen Seite eine Ernährung ist, die unser körpereigenes Mikrobiom gesund hält.
Unter dem Titel „Das (un)sichtbare Netz des Lebens – Landwirtschaft trifft Medizin, Gesundheit und Ernährung“ fand im Mai 2024 in der Gemeinschaft Schloss Tempelhof ein Mikrobiom-Symposium statt. Nähere Infos zu den Referenten und Referentinnen sowie deren Themen finden Sie hier: https://mikrobiom.aufbauende-landwirtschaft.de/