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Eine Orchideenwanderung

Seltene Schönheiten im Kaiserstuhl

von Gabriele Hennicke, 4. Juni 2022 Der Kaiserstuhl ist für seinen Orchideenreichtum berühmt – allein 36 der 60 in Mitteleuropa heimischen Arten sind hier vertreten. Sie lieben die kalkreichen, trockenen Lößböden des Landstrichs und gedeihen in sonnenverwöhnten Halbtrocken- und Trockenrasen, Trockenwäldern und lichten Gebüschen.
Seltene Schönheiten im Kaiserstuhl
Orchideen: Affenknabenkraut

Mitte Mai, die Sonne zaubert goldenes Abendlicht, Laubwald und Wiesen leuchten in satten Grüntönen, Vogelgezwitscher. Beim ehemaligen Gutshof Lilienhof im Liliental bei Ihringen startet die Wanderung mit Orchideenkennerin Hannelore Heim. Durch kniehoch stehende Wiesen folgen wir dem Wanderweg durch das Liliental. Große Teile des Tals und der Hänge unterhalb des Totenkopf-Gipfels mit seinem Fernmeldeturm sind ein Arboretum, ein Versuchsgelände der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg.

Orchideen sind faszinierenden Pflanzen. Ihre Seltenheit und die raffinierten Fortpflanzungsstrategien begeistern viele Menschen. „Man muss schon ganz genau hinsehen, weil manche von ihnen ziemlich klein sind, sie regelrecht suchen. Und wenn ich sie dann entdeckt habe, erfüllt mich ein Glücksgefühl“, meint eine der Teilnehmerinnen. Das Violett der Pyramiden-Orchis mit ihrem kegelförmigen Blütenstand bildet einen starken Kontrast zum Grün der Wiese. In der Nähe wächst das zartlila Helmknabenkraut, dessen Blüten wie ein kleiner Mann mit Helm aussehen. „Alle Wildorchideen sind in ihrem Bestand gefährdet. Die meisten sind auf der Roten Liste gefährdeter Arten zu finden. Deshalb ist es wichtig, nur auf den ausgewiesenen Wegen zu bleiben und die Wiesen nicht zu betreten, auch nicht zum Fotografieren“, mahnt die Führerin, „die Jungpflanzen sind nämlich oft unscheinbar und werden übersehen und zerstört.“ Oft vergehen 10 bis 15 Jahre, bis die Orchideen blühen. Der Großteil ihres Lebens spielt sich unter der Erde ab. Die hodenähnlichen Wurzelknollen – das griechische Wort Orchis bedeutet Hoden – haben den Orchideen ihren Namen gegeben. Erst im vierten oder fünften Lebensjahr nach der Befruchtung bilden sich diese Knollen aus, aus denen sich später Blüten und Blätter entwickeln. Damit die staubfeinen Orchideensamen keimen und die Keimlinge wachsen, sind die Samen auf bestimmte Pilze als Nährgewebe angewiesen. „Es macht daher überhaupt keinen Sinn, Orchideen auszugraben. Die werden im heimischen Garten nicht überleben, weil sie dort nicht diesen speziellen Pilz finden“, erläutert Hannelore Heim.

Orchideen: Hummelragwurz
Orchideen: Hummelragwurz

Mit nur etwa 20 Zentimetern Wuchshöhe gehört das Brandknabenkraut zu den kleinen Orchideen. Sie wächst gern in kleinen Gruppen. Die Blütenstände im oberen, noch geschlossenen Bereich sind dunkelrot – wirken wie verbrannt –, die offenen Blüten sind helllila mit kleinen dunklen Punkten. Mit seinem kräftigen Honigduft lockt das Brandknabenkraut Hummeln und Falter zur Bestäubung an. Stattlich anzusehen ist das Purpurknabenkraut, das bis zu 80 Zentimeter hoch werden kann.

„Hier gibt es etwas ganz Besonderes zu entdecken“, sagt die Orchideenkennerin und zeigt auf kleine, zarte Orchideen mit rosa-braunen Blüten, die ganz anders aussehen als die Knabenkräuter: Es sind Hummelragwurze, erklärt die Führerin. Die Ragwurzarten haben eine ganz besonders raffinierte Fortpflanzungsstrategie entwickelt: Sie imitieren mit Aussehen und Duft ein Insektenweibchen und locken so fortpflanzungswütige Insektenmännchen an.

Beim Affenknabenkraut sehen die einzelnen Blüten wie ein kleines Äffchen mit langen dünnen Armen, Beinen und einem Schwänzchen aus. Der ganze Blütenstand bildet eine lustige Affenbande. Vom Mittelmeerraum wanderte das Affenknabenkraut übers Rhonetal ins Rheintal. Am Wegrand entdecken wir eine große, weißlich-grüne Pflanze mit langen, riemenartig gedrehten Mittellappen. „Da müssen Sie unbedingt mal dran riechen“, fordert unsere Führerin die Gruppe auf. „Uahhh, die stinkt“, ist die einhellige Meinung. Und zwar eindeutig nach Ziegenbock! Es ist die Bocksriemenzunge, die bis zu einem Meter hoch werden kann. Mit ihrem „Duft“ lockt sie vor allem Sandbienen an. Sie haben sich in den letzten Jahren – vermutlich klimatisch bedingt – nach Norden ausgebreitet, sogar in Sachsen-Anhalt und Südniedersachsen gibt es kleinere Vorkommen.

Zum Glück haben die Menschen die Schutzwürdigkeit dieser seltenen Pflanzen erkannt, bewahren die Lebensräume der Orchideen und pflegen die noch bestehenden Standorte so, dass die Orchis günstige Bedingungen vorfinden. Die Wiesen werden nicht gedüngt und nach einem festen Pflegeplan erst gemäht, wenn die Orchideen verblüht und die Samen ausgereift sind.

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