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Der Weinberg am Predigerplatz hoch über dem Freiburger Lorettoberg und Merzhausen bietet einen atemberaubenden Blick auf das urbane Freiburg, den Schwarzwald und seine Vorberge. Hier befindet sich der vermutlich erste Solidarische Weinberg Deutschlands, den der Freiburger Winzer und Piwi-Pionier Andreas Dilger vor acht Jahren angelegt hat.
Auf den Rebflächen wachsen auf der einen Seite die roten Rebsorten Satin noir und Carillon rot und auf der anderen die weißen Sorten Sauvignac und Donauriesling, alles pilzwiderstandsfähige (piwi) Rebsorten. 250 Einzelpersonen und Familien teilen sich die Ernte dieser und zwei weiterer Rebflächen, und zugleich die Kosten für die Bewirtschaftung des Rebbergs, die Weinherstellung und die weiteren ökologischen Maßnahmen. Die Traubenernte wird zu Wein veredelt, welcher dann ebenfalls unter den Mitgliedern aufgeteilt wird.
„Ich habe das Konzept für Solidarische Landwirtschaft auf den Weinbau angepasst. Viele unserer Stammkunden sind Mitglieder im Solidarischen Weinberg geworden, andere sind hinzugekommen, weil sie das Konzept gut finden“, sagt Andreas Dilger. Der 60-jährige Winzer feiert 2026 das 25-jährige Bestehen seines Weinguts. Er bewirtschaftet fünf Hektar Reben und 1,5 Hektar Streuobstwiesen. Der Sozialpädagoge ist Quereinsteiger, entwickelte sich vom Hobbywinzer über den Nebenerwerbswinzer bis zum Betriebsgründer eines Weinguts mitten in der Stadt, im lebendigen Stadtteil Freiburg-Wiehre. Dilger bewirtschaftete seine Rebflächen von Anfang an ökologisch. Er ist Mitglied beim Verband Ecovin. Schon bei der ersten Rebneuanlage setzte er auf pilzwiderstandsfähige Rebsorten, war damals einer der Pioniere. Pilzwiderstandsfähige Rebsorten brauchen nur minimalen Pflanzenschutz und eignen sich daher ideal für den ökologischen Anbau. Seit 20 Jahren verwendet Dilger in seinem Weingut ausschließlich Piwi-Sorten, er ist Vorsitzender von PIWI Deutschland, dem Landesverband von PIWI International. Dilger baut 16 Piwi-Sorten an, neun rote und neun weiße.
In der Vermarktung ist ihm ein enger Kontakt zu seiner Kundschaft wichtig. Er möchte Weinbau auch in der Stadt erlebbar machen und veranstaltet regelmäßig Events, bei denen er Wein mit Kultur zusammenbringt. Er beteiligt sich in zahlreichen Netzwerken, die neue Ansätze in der Landwirtschaft und beim Thema Ernährung voranbringen wollen wie dem Agrikulturfestival, dem Freiburger Ernährungsrat, der Regionalwert AG. Das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft passt daher ideal zu Dilgers Ausrichtung. Solidarische Landwirtschaft stellt einen Gegenentwurf zu den üblichen Marktmechanismen zwischen Anbauern, Großhandel und Verbrauchern dar. Erzeuger und Verbraucher bilden eine Wirtschaftsgemeinschaft, die auf eine bäuerliche und vielfältige regionale Landwirtschaft setzt, und sie teilen die Risiken.
„Die Mitglieder des Solidarischen Weinbergs identifizieren sich mit ‚ihrem‘ Weinberg und wissen genau, wie hier gearbeitet wird. Somit sind sie auch eine Art Botschafter für den ökologischen Weinbau mit Piwi-Sorten“, sagt Andreas Dilger. Die Mitglieder können jederzeit im Weinberg mithelfen, dazu verpflichtet sind sie nicht. „Das Herbsten“ – also die Traubenernte – ist das Highlight, da sind immer um die 50 Leute dabei“, so Dilger. Wer einen ganzen Anteil am Solidarischen Weinberg erwirbt, erhält sechs Flaschen Wein monatlich, insgesamt also 72 Flaschen jährlich. Dabei kann aus dem ganzen Sortiment des Weinguts gewählt werden, unabhängig vom Preis. Einzelpersonen oder kleinere Gruppen können auch halbe oder Viertel-Anteile erwerben.
Die meisten Mitglieder probieren sich einmal durchs Sortiment und wählen dann jeweils ihre Lieblingsweine. Interessanterweise ist die Nachfrage bei den 20 verschiedenen Weinen etwa gleich, berichtet Dilger. Für den Kauf der Anteile ist ein Richtwert von 70 Euro monatlich festgelegt, also 840 Euro pro Jahr. Wer weniger zahlen kann, zahlt 60 Euro monatlich, wer mehr zahlen will, 80 Euro. Das Risiko von Ernteausfällen oder der Mehraufwand in schwierigen Jahren wird von der Gemeinschaft getragen, dann erhalten die Mitglieder eine geringere Flaschenzahl. Bislang sei dies noch nicht vorgekommen, so der Winzer. In besonders guten Wirtschaftsjahren gibt es einen Wein-Bonus. Über den Jahresbetrag der Mitglieder ist der Betrieb des Weinguts etwa zur Hälfte finanziert, für die Zukunft strebt Andreas Dilger an, weitere 100 Mitglieder zu finden.
Gewinner bei diesem neuartigen Konzept, das bereits einige Nachahmer in Deutschland gefunden habe, sei in erster Linie die Natur sowie Biodiversität und Artenvielfalt, meint Andreas Dilger. Dass sich neben seinen drei Solidarischen Weinbergen jeweils ein Waldkindergarten niedergelassen habe, sei sicherlich kein Zufall.