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Entwicklung der Landtechnik

Teil 3: Elektronik und Automatisierung

von Rainer Bank, 14. April 2023 Spätestens mit der zunehmenden Liberalisierung der EU-Agrarmärkte, ca. 1990–2000, und der Abschaffung der Produktionsobergrenzen hatte sich der wirtschaftliche Druck auf die deutsche Landwirtschaft nochmals erhöht. Zusätzlich waren die Bauernhöfe der alten Bundesländer nach der Wiedervereinigung Deutschlands nun erst recht Schlusslicht in Bezug auf ihre Betriebsgrößen.
Teil 3: Elektronik und Automatisierung
Autonome Schlepperarbeit im Ackerbau, Quelle: Case Katalog 1 / 2017

Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in den 1950er Jahren, ab 1972 Europäische Gemeinschaft (EG) und ab 1992 EU, mussten sich die deutschen Bauern dem Wettbewerb mit den ausländischen Berufskollegen stellen. So war es für die südbadischen Bauern nur ein schwacher Trost, dass es auch im europäischen Ausland, z.B. in Italien oder Frankreich, Mittelgebirgsregionen gab, welche aufgrund ihrer Topografie ähnlich benachteiligt waren wie der Schwarzwald. Historisch bedingt waren bis zur deutschen Wiedervereinigung die ausländischen landwirtschaftlichen Betriebe grundsätzlich um ein Vielfaches größer und damit natürlich im Vorteil.

In diesem Zusammenhang unvergessen geblieben ist der Besuch des niederländischen EWG-Agrar-Kommissars Sicco Mansholt, der 1968 nach einem Helikopterflug über den Schwarzwald den hiesigen Bauern jegliche Zukunftsperspektive absprach.

Im Anbetracht topografischer Herausforderungen und der internationalen Konkurrenz galt es also, mit gezielten Förderungen und vor allem mit der Weiterentwicklung der Landtechnikindustrie, die nie untätig gewesen war, die inländische Landwirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen.

So wurde der Traktorenbau in immer höhere Leistungsklassen vorangetrieben. Mit dem Anstieg der PS-Leistung der Schlepper wuchsen auch die an den Traktor angebauten Arbeitsgeräte. Doch es gab auch einige mittelständische Landtechnikpioniere, die sich nicht mit dem „stärker, größer, breiter“ begnügten, sondern sich darüber Gedanken machten, wie man den Landwirt generell arbeitstechnisch entlasten könnte.

Der bayerische Landtechnikhersteller Eicher hatte in den 1960er Jahren seinen „Agrirobot“ erfunden. Dieser an einen althergebrachten Kipppflug erinnernde, selbstfahrende Pflugtraktor sollte wie von Geisterhand selbständig einen Acker umpflügen können. Weil man damals noch nicht auf die kontrollierende und steuernde Funktion einer Elektronik zurückgreifen konnte, war der Einsatz des Agrorobot ein gewagtes, nicht ungefährliches Unterfangen, wodurch diese Entwicklung letztlich auch nicht über das Prototypenstadium hinausgelangte.

Eicher Agrirobot Kipppflug Bj. 1964, Quelle Walter Sack, Eicher Traktoren
Eicher Agrirobot Kipppflug Bj. 1964, Quelle Walter Sack, Eicher Traktoren

Wiederum der Landtechnikhersteller Eicher verbrannte viel Zeit und Geld mit der Entwicklung eines Traktors, der in jeder beliebigen Fahrgeschwindigkeit im Leistungsoptimum arbeiten konnte. Auch bei Fendt aus dem bayerischen Allgäu musste man bei der Entwicklung eines stufenlos fahrenden Traktors zunächst einsehen, dass sich mit den mechanischen Steuerungsmöglichkeiten solche Zukunftsvisionen nicht realisieren ließen.

So wie die Erfindung des PCs unsere Arbeitswelt, ja unser ganzes Leben total umkrempelte, so löste auch der Einzug der Mikroelektronik in die Landtechnik eine zuvor für völlig unmöglich gehaltene technische Revolution aus.

Im Traktorenbau hielt zunächst die elektronische Steuerung der Heckhydraulik (EHR) Einzug und ermöglichte eine präzisere Anbaugeräteführung. Gerade bei schweren und wechselhaften Böden ließ sich nun der angehängte Pflug exakter durch den Boden ziehen, ohne dass der Traktorist bei der Steuerung nachhelfen musste.

Nun griff auch Fendt seine längst ad acta gelegte Idee eines stufenlosen Traktors wieder auf und führte das mittels Elektronik gesteuerte Fendt-Vario-Getriebe zu einem Siegeszug rund um den Globus. Mittlerweile gibt es kaum einen Traktorenhersteller, der kein ähnliches Stufenlosgetriebe in seinen Traktoren anbietet.

Wie in den Traktoren hat die Elektronik längst auch in den Anbaugeräten und Anhängemaschinen wie Ladewagen und Gülletankwagen Einzug gehalten. Ein moderner Ladewagen kommuniziert mit dem ziehenden und antreibenden Traktor, ob schneller oder langsamer gefahren werden muss, um das Leistungsoptimum auszunutzen. Der Gülletankwagen, Düngerstreuer oder die Pflanzenschutzspritze steuern den Traktor genau so, dass die zuvor einprogrammierte Ausbringmenge eingehalten wird. Dies alles, ohne dass der Traktorpilot hier eingreifen muss. GPS aus dem Weltall ermöglicht die Spurführung von Traktor und Maschine fast auf den Millimeter genau. Moderne Mähdrescher und Feldhäcksler mit breiten Arbeitswerkzeugen können dank der Spurführung über die komplette Arbeitsbreite effektiv genutzt werden. Das spart Arbeitszeit und Dieselkraftstoff, vermeidet unnötige zusätzliche Überfahrten dieser schweren Maschinen – und trägt so zur Bodenschonung bei und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz. Der Schritt zum autonomen Landtechnikeinsatz ist keine Fiktion mehr.

Aber auch in der Tierhaltung haben Techniken Einzug gehalten, die man noch vor wenigen Jahrzehnten für Science Fiction gehalten hatte. Glücklicherweise wurde so manch eine Zukunftsvision, wie die eines schwedischen Stalleinrichtungsherstellers, nie Realität: Ähnlich der Hühnerhaltung in Käfigbatterien sollten Kühe in fahrbaren Einzelboxen gehalten werden und mittels Magnetbahnen zum Melken sowie zu Fress- und Liegeplatz automatisch bugsiert werden.

Im technisch modernen Milchviehbetrieb erledigt heute der Melkroboter das zeitintensive Melken der Kühe. Ein anderer Roboter hält den Stall sauber, während ein weiterer Roboter für das Füttern der Kühe zuständig ist. Zusätzlich zum Melken erfasst der Melkroboter auch noch Daten, die auf den Gesundheitszustand der Kühe schließen lassen. Ähnliches trifft für die Schweine- und Hühnerhaltung zu: Hightech-Sensoren überwachen das Wohl der Tiere und garantieren eine tiergerechte und ökonomische Tierhaltung.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Die technischen Möglichkeiten der Landtechnik sind sehr kapitalintensiv. Der moderne Landwirt, der technisch auf der Höhe der Zeit bleiben will, muss in immer kürzeren Abständen immer mehr Kapital aufwenden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Weg, den kleinere Landwirtschaftsbetriebe mit geringerer Kapitalkraft nicht gehen können oder viele auch gar nicht gehen wollen.

Droht vielleicht doch noch die Vision Sicco Mansholts vom sterbenden Schwarzwald Wirklichkeit zu werden, oder schaffen es die hiesigen Bauern mit ihrer Kreativität und Zähigkeit andere Zukunftsmodelle zu bestreiten? Allein der Wille der Bauern wird jedoch nicht ausreichen, auf den zusätzlichen Rückhalt Bevölkerung und aus der Politik – auf lokaler und europäischer Ebene wird es ankommen.

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