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Die Versorgung durch die Landwirtschaft in Südbaden

Wie ist es um unsere Ernährungssicherheit bestellt?

von Rainer Bank, 26. November 2024 Weltweite Krisen durch Pandemien, Kriege oder wirtschaftliche Verwerfungen bringen verstärkt die Frage auf, wie es um die Lebensmittelversorgung in unserem Land bestellt ist. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Auf weniger Fläche wird heute zwar mehr produziert, doch von einer unabhängigen Selbstversorgung sind wir weit entfernt.
Wie ist es um unsere Ernährungssicherheit bestellt?
Info-Point auf dem Höfe-Festival zur Versorgung durch unsere Landwirtschaft in Südbaden. Foto: Andreas Lörcher

Steigende Produktion trotz weniger Fläche und Arbeitskräften

Hier in Südbaden (Regierungsbezirk Freiburg) beträgt die gesamte Nutzfläche 935.634 ha. Davon bestehen 45,7 % aus Wald, 12,2 % sind Siedlungs- und Verkehrsflächen und wiederum 12,2 % bilden sich aus Gewässern, Biotopen etc. Lediglich 39,5 % der Flächen bestehen aus Äckern und Wiesen für die heimische Lebensmittelproduktion.

Hinzukommt, dass die Anzahl der im Haupt- und im Nebenerwerb geführten Landwirtschaftsbetriebe von 36.491 im Jahr 1976 über 28.977 Betriebe im Jahr 1991 auf 11.988 Bauernhöfe im Jahr 2020 gesunken ist. Aktuell werden also nur noch 32 % der Bauernhöfe von 1979 aktiv genutzt.

Die in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte haben von 85.828 Personen in 1960 über 72.719 Personen in 1991 auf 43.800 Menschen in 2020 abgenommen. So betrug 2020 der Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte nur noch 51 % gegenüber 1960. Andererseits versorgte ein Landwirt in Südbaden 1960 50 Personen mit Nahrung. Im Jahr 1991 waren es 70 Personen und im Jahr 2020 waren es 190 Personen, die von den fleißigen Händen eines Landwirts ernährt wurden. Gegenüber 1960 erfolgte also eine Produktionssteigerung um unglaubliche 380 %! Hierzu hatte die fortschreitende Technisierung einen entscheidenden Beitrag geleistet. Automatisierte Fütterungssysteme, Melkroboter in der Tierhaltung sowie GPS-gesteuerte Feldbewirtschaftung, präzisierte Wettervorhersagen und die züchterische Weiterentwicklung in der Tierhaltung sowie dem Pflanzenbau haben nicht nur in der konventionellen Landwirtschaft zu enormen Produktionssteigerungen geführt.

Abhängigkeit von Importen

Trotz allem liegt die Selbstversorgungsrate in Südbaden aktuell nur zwischen 40 und 60 %. Bei Wein, Spargel und Getreide kann Südbaden Überschüsse generieren, die in andere Märkte abfließen. Bei Obst müsste Südbaden alleine auf sich gestellt ein Viertel des Bedarfs importieren. Kartoffeln, Gemüse und Zucker könnten nur ca. ein Viertel des Bedarfs abdecken. Bei der Milch- und Fleischproduktion bewegt sich die Eigenbedarfsdeckung zwischen 22 und 66 %. Das Defizit wird zum Teil innerhalb Baden-Württembergs und Deutschlands ausgeglichen. Was nicht aus den 27 EU-Staaten bezogen werden kann, wird aus den Agrarmärkten rund um den Globus importiert.

Nun mag man sich unbekümmert zurücklehnen in dem Glauben, dass auch in Zukunft weitere Produktivitätssteigerungen möglich sein werden, um den Menschen weiterhin zu jeder Zeit volle Teller zu garantieren. Um jedoch die Nahrungsproduktion hier in der Region aufrechtzuerhalten, bedarf es des Imports von Futter- und Düngemitteln, Diesel, Tierarzneien und Strom aus dem Ausland. Ohne den Einkauf der genannten Produktionsmittel würde die Produktionskapazität der heimischen Landwirtschaft auf ein Drittel zurückgehen.

Gleichzeitig werden täglich rund 4,6 ha landwirtschaftliche Produktionsfläche, zumeist in produktiven Gunstlagen, für den Bau von Wohnungen, Gewerbeeinheiten und Infrastruktur unwiederbringlich versiegelt. Der Bedarf an Wohnfläche pro Person hat sich von 20 m² im Jahr 1960 auf aktuell 47,5 m² mehr als verdoppelt. Ein Luxus, den wir uns bald nicht mehr leisten können?

Die regionale Versorgung Südbadens braucht eine stabile Landwirtschaft. Foto: Christoph Duepper
Die regionale Versorgung Südbadens braucht eine stabile Landwirtschaft. Foto: Christoph Duepper

Lebensmittelversorgung im Angesicht sich wandelnder Lieferketten und steigender Weltbevölkerung

Das altgewohnte und für selbstverständlich gehaltene Versorgungssystem aus internationalen Lieferketten steht zunehmend auf immer wackligeren Füßen. Stromausfälle nach heftigen Naturereignissen mit dem verbundenen Computer- und Internetausfall machen sich in der Logistik mit gravierenden Folgen sofort bemerkbar. Durch die durch Politik und Ökonomie vorangetriebene Globalisierung ist die Wirtschaft und somit auch der Agrarhandel weltweit eng miteinander verwoben.

Die zurückliegende Corona-Pandemie oder auch die Blockade des Suez-Kanals durch ein Containerschiff führten am Standort Deutschland dazu, dass trotz guter wirtschaftlicher Auftragslage zahlreiche Produktionsbänder in den Fabriken stillstehen mussten, weil verschiedene Bauteile plötzlich nicht geliefert werden konnten. Diese Abhängigkeit ist ein Problem, das auch für die Versorgung mit Lebensmitteln von großer Relevanz ist.

Bei der Ernährungssicherheit spielt ein weiterer Faktor eine ganz entscheidende Rolle, nämlich die Entwicklung der Weltbevölkerung. Im Jahre 1970 verteilten sich 4 Mrd. Menschen über die Erde. Im Jahre 2023 hat sich die Weltbevölkerung auf 8 Mrd. Menschen verdoppelt und im Jahr 2050 sollen es gar 10 Mrd. Menschen sein, welche sich auf und von diesem Planeten ernähren wollen.

In Europa wird die Bevölkerung bis 2050 laut Prognosen schrumpfen. In Nordamerika und Ozeanien wird sie leicht zulegen. Aber besonders in Asien und Afrika wird die Bevölkerung jeweils um durchschnittlich 1 Mrd. Menschen deutlich anwachsen.

In der Regel fließen weltweit erzeugte Lebensmittel in jene Märkte ab, in denen die höchste Kaufkraft besteht. Hier haben bisher die meisten Länder Afrikas, Asiens und Südamerikas das Nachsehen. Doch wirtschaftlich erfolgreiche Aufsteiger wie China und Indien lassen uns bereits heute im Geldbeutel spüren, dass bei steigender Nachfrage folgerichtig die Preise steigen. Ein Zusammenbruch des Euro-Finanzsystems, welches vor einem Jahrzehnt während der Finanzkrise nicht unrealistisch schien, ließe die Motivation in den Ländern außerhalb Europas deutlich sinken, uns weiterhin Lebens- und Futtermittel zu liefern.

Ernährungssicherheit ist also alles andere als ein Selbstläufer. Um diese für uns und zukünftige Generationen zu gewährleisten, muss das Thema verstärkt in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit geraten. Durch den Einkauf regional produzierter Lebensmittel kann jeder von uns im Kleinen einen Beitrag zum Erhalt der heimischen Landwirtschaft leisten. Damit sichern wir zudem die Kaufkraft sowie die vielseitige Kulturlandschaft vor Ort. Und viele Lebensmittel müssten nicht von weither herangekarrt werden, was auch die Umwelt schont und den Bau leistungsstärkerer Fernstraßen möglicherweise erübrigt.

Datenquellen: Statistisches Landesamt BW und LEL Schwäbisch Gemünd

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