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Große, zusammenhängende Flächen in der Rheinebene lassen sich mit viel weniger Aufwand bewirtschaften als Steilhänge im Schwarzwald. Ob es ums Pflügen, Säen, Pflegen oder Ernten geht, vieles ist im Flachland mit großen Maschinen rasch erledigt, während es in Steillagen dafür spezielle Technik und auch viel Handarbeit braucht. Dennoch werden die Berghänge im Schwarzwald bewirtschaftet – sie dienen als Viehweiden oder sie werden zur Stallfutternutzung gemäht; auch Nutzwald, Weihnachtsbäume und Obstplantagen sind hier zu finden. Meist sind es Landwirtsfamilien, die ihre Höfe seit Generationen in dieser Lage bewirtschaften und denen das Fortführen dieser Tradition ein Herzensanliegen ist. Mit der Pflege der eigenen Flächen leisten sie zugleich einen Beitrag zum Erhalt einer jahrhundertealten Kulturlandschaft – Wanderer und Touristen können gepflegte Wälder und Wiesen durchschreiten, statt sich durch undurchdringliches Gestrüpp zu schlagen. Was man bei der Sonntagswanderung durch den Schwarzwald als zauberhafte Natur empfindet, ist bei genauerer Betrachtung eine vom Menschen geprägte Kulturlandschaft, die ohne den unermüdlichen Einsatz der Landwirte ganz anders aussähe.
Inwiefern sich die Bewirtschaftung von Steillagen finanziell lohnt, ist eine spannende Frage, denn die Verkaufspreise für hier produzierte Lebensmittel fallen nicht höher aus als jene für Produkte aus der Ebene. Je nach Region wird die zusätzliche Arbeitszeit, die am Steilhang vonnöten ist, zwar teilweise über Fördermittel ausgeglichen, weil der Erhalt der Kulturlandschaft ein gesamtgesellschaftliches Interesse ist. Es bleibt jedoch ein Rest an Mehraufwand, der im Verantwortungsbereich eines jeden einzelnen Landwirtes liegt. Deshalb sorgt nur eine individuelle Mischung aus sehr intelligentem Wirtschaften und Idealismus für den Fortbestand eines Bauernhofes in unwegsamem Gelände. Für viele Betriebe aber ist das Aufgeben der Landwirtschaft im Lauf der Jahre die traurige, doch stimmigste Lösung.
„Auf meinem Betrieb darf ich alles zählen, nur nicht die Arbeitsstunden“, ist sich Jürgen Kimmig bewusst. Und doch ist er mit dem Konzept, das er für seine Fläche von insgesamt 24 Hektar im engen Ödsbachtal bei Oberkirch ausgetüftelt hat, rundum zufrieden. Der 41-Jährige betont: „Schritt für Schritt habe ich den Betrieb in den letzten 15 Jahren auf meine Vorstellungen und Bedürfnisse hin optimiert – wenn’s nach mir geht, kann er nun genau so ein paar Jahrzehnte weiterlaufen.“
Zunächst hat Jürgen Kimmig sehr genau bilanziert: Welche Flächen eignen sich für welche Kulturen? Milchkühe, Weiden und Getreideäcker, die noch in den 1960er-Jahren jeder Hof im Ödsbachtal hatte, sind heute nicht mehr praktikabel. Nur ein Viertel der Betriebsfläche von Kimmig weist eine Hangneigung von unter 15 Prozent auf – hier stehen Kirschbäume. Sie können mit dem bedingt berggängigen Baumschüttler geerntet und über die regionale Genossenschaft an die Verarbeitungsindustrie verkauft werden. Steilere Flächen kann der Schüttler damit nicht befahren; dort sind andere Kulturen gefragt: Ein halber Hektar ist mit verschiedenen Obstsorten für die betriebseigene Brennerei bepflanzt; auf einer weiteren Fläche von 4,5 Hektar stehen Christbäume, und die übrige Betriebsfläche besteht aus Wald. „Die Kirschen und Christbäume sind für mich eine sinnvolle Diversifizierung des Betriebs, weil sie ein paar Jahrzehnte früher Gewinn abwerfen als der Wald“, erklärt Jürgen Kimmig, der sich ein Grundeinkommen, als gelernter Schreiner, über eine Teilzeitanstellung in einem Baustoffhandel sichert. „Wenn alles gut läuft, könnte die Landwirtschaft meine Familie vielleicht auch vollständig ernähren – aber die Einnahmen schwanken hier aufgrund von Witterung und Marktverhältnissen stark; ich lebe entspannter, wenn diese Risiken durch meine auswärtige Tätigkeit abgepuffert sind“, gibt er offen zu. Auch Ehefrau Simone hat eine Teilzeitstelle außerhalb des Betriebs, doch bei der Kirschenernte und zur Weihnachtszeit hilft sie eifrig mit. Die Erziehung der beiden gemeinsamen Kinder Clara (10) und Gabriel (6) teilt sich das Ehepaar untereinander auf. Nicht selten sind die beiden Geschwister dabei, wenn Jürgen Kimmig Weihnachtsbäume schneidet oder andere Aufgaben in den Anlagen erledigt. Heute spielen sie währenddessen und gestalten kleine Kunstwerke aus Zweigen. Aber in zehn oder zwanzig Jahren werden sie vielleicht selbst vor der Frage stehen, ob sie die Bewirtschaftung der steilen Hänge fortführen möchten ...