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Landwirte im Gespräch

Zukunftswerkstatt in traditionellem Ambiente

von Katja Brudermann, 31. März 2023 Zur Zukunftswerkstatt für Landwirte luden mitte März Christoph Wasser, Gründer der Plattform „Marktplatz LandKultur“, und Katja Brudermann, freie Journalistin, ein. Man tagte in einer Jurte, tauschte sich aus und erarbeitete Lösungen für aktuelle Herausforderungen.
Zukunftswerkstatt in traditionellem Ambiente
Hofladen auf dem Thaddäushof Kirchzarten, Foto: Christoph Duepper

Wo Landwirte zusammenkommen, begegnen sich sehr unterschiedliche Geschichten und Persönlichkeiten. Jedoch sind alle bei der Zukunftswerkstatt Anwesenden von ähnlichen Themen bewegt und verspüren – man kann schon fast sagen als Minderheit in unserer Gesellschaft – einen starken Zusammenhalt. Auch einige Quereinsteiger sind in der Runde vertreten, von denen einer gerade vom Nebenerwerb zum Vollbetrieb wechseln möchte, und ein anderer momentan temporär im traditionellen Familienbetrieb aushilft. Von ihm kamen dann auch die Fragen, die wohl alle Anwesenden gleichermaßen betreffen: Wie können die Kosten für eine regionale, nachhaltige, bodenaufbauende, klimaschonende, möglichst CO2-neutrale Landwirtschaft gedeckt werden? Wie kann der Wert regionaler Landwirtschaft, der über die Produktion von Lebensmitteln zweifelsohne weit hinausreicht, an Kunden kommuniziert werden? Diese Fragen begleiteten den weiteren Austausch kontinuierlich.

Nach einer Vorstellungsrunde ging es raus aus der gemütlich warmen Jurte. In einem Zeitfenster von einer knappen halben Stunde beschäftigte sich jeder mit seiner aktuellen Fragestellung, inspiriert durch die Umgebung um die Jurte mit Wiese, Bach, Bäumen und Schafen an dem inzwischen schon dunkel gewordenen Vorfrühlingsabend. Nach dieser „Solo-Zeit“ entspann sich ein reger Austausch rund um die Erfahrungsberichte der Teilnehmer.

Den ersten Bericht lieferte ein Quereinsteiger, der seine Nebenerwerbslandwirtschaft inzwischen so weit ausgebaut hat, dass sie ohne eigene Hofstelle kaum noch zu bewältigen ist, und er daher feststellt, wie schwierig es ist, einen Betrieb mit arrondierten Flächen in der Region zu finden. Ein weiterer Quereinsteiger meldet sich zu Wort: Er wuchs auf einem landwirtschaftlichen Betrieb auf und entschied sich zunächst für ein Studium und Berufsleben in einer anderen Branche. Seinen Job reduzierte er erst und gab ihn schließlich ganz auf, weil er für sich herausfand: „Dass der Betrieb meiner Eltern weitergeht, liegt mir am Herzen, und dafür braucht es hier gerade meine volle Arbeitskraft.“ Noch weiß er nicht, ob er seinen Platz dauerhaft in der Landwirtschaft sieht oder ob er nur vorübergehend einspringt als Übergangshelfer in ein neues Betriebsmodell, das sich über den traditionellen Familienbetrieb hinaus für neue Konzepte öffnet.

Ein anderer Teilnehmer der Zukunftswerkstatt hat auf dem seit Generationen in Familienhand liegenden Betrieb mit der Haltung von Milchziegen eine an sich sichere Einkommensquelle gefunden und steht nun vor einer Entscheidung: „Um auch in Zukunft mit der Ziegenhaltung wirtschaftlich zu bleiben, müssen wir investieren, denn im bestehenden Stall ist eine Vergrößerung der Herde nicht möglich, und eine punktgenaue Fütterung der Tiere zur Optimierung der Milchleistung ist schwer umsetzbar.“ Steht für den über 60-Jährigen, dessen Sohn den Betrieb einmal übernehmen wird, die Investition inklusive Verschuldung und Festlegung auf diesen Betriebszweig für die nächsten Jahrzehnte an, oder gibt es eine Alternative? Der Vierte in der Runde, der sich äußert, hat eine ähnliche Entscheidung bereits hinter sich. Nach jahrzehntelanger Milchviehhaltung hat er sich vor kurzem von seiner Herde verabschiedet – emotional ein alles andere als leichter Schritt, den er dennoch nicht bereut: „Den Anbindestall hätte ich früher oder später auch umbauen müssen. Ich wollte mir die Investition, die Abhängigkeit von Banken und die Bindung meiner Arbeitskraft nicht antun. Jetzt habe ich Freiräume, mich dem Hofladen intensiver zuzuwenden und mein Wissen über Landwirtschaft an andere Menschen weiterzugeben – aktuell kommen viele Kindergruppen, und ich kann mir darüber hinaus noch weitere Bildungsangebote vorstellen.“

Die Entscheidung, ob man in einen neuen Stall investiert oder nicht, hängt von unübersichtlich vielen Faktoren ab und ist letztendlich immer zutiefst individuell, doch dass der Schritt in Richtung Investition nicht alternativlos ist und dass es sich lohnt, andere Ideen zu durchdenken, auch wenn diese mit Risiken verbunden sind – das wurde im Gespräch der Landwirte deutlich.

Eine weitere Frage des Abends war: Wenn ich meine eigenen Produkte zu hohen Preisen verkaufe – werte ich dann nicht automatisch die Produkte meiner Kollegen in der Nachbarschaft ab? Diese Denkweise, die in der Generation der älteren Landwirte häufig verbreitet ist, wurde von den Vertretern der jüngeren Generation nicht unbedingt unterschrieben. „Einer muss ja auch der Teuerste sein“, hieß es, was im Grunde bedeutet: Wer sich traut, seine Produkte zu etwas höheren Preisen anzubieten als seine Kollegen, nimmt das Risiko auf sich, preissensible Kunden zu verlieren, leistet aber zugleich einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft aller regionalen Anbieter. Denn nur so kann das eigentlich immer zu niedrige Preisniveau ein wenig angehoben und damit ein Beispiel gesetzt werden, dass es durchaus möglich ist, kostendeckende Preise zu verlangen.

Die Angst, dass alle Kunden abspringen, wenn man die Preise verlangt, die man eigentlich fairerweise bräuchte, und den Frust darüber, dass viele Verbraucher keinen Bezug zur Landwirtschaft haben und kein Verständnis für den Aufwand, der hinter regionaler, bäuerlicher Lebensmittelproduktion steht, kennt wohl jeder Landwirt. Die damit verbundene Schwere, die auf diesem Berufsstand liegt, hat Christoph Wasser während seiner „Solo-Zeit“ vor der Jurte beschäftigt. Sein Ziel mit Marktplatz LandKultur ist, Brücken zwischen Erzeugern und Verbrauchern zu bauen, den Wert regionaler Landwirtschaft hervorzuheben: „Man sollte sich nicht zu sehr von den vielen unterschiedlichen und teils negativen Meinungen der Verbraucher beeinflussen lassen, sondern selbst aufrecht hinter dem eigenen Tun stehen – auch denen gegenüber, die mangels besseren Wissens Kritik äußern.“ Was durchaus anspruchsvoll sein kann, wie ein anderer Landwirt am eigenen Leib erfuhr. „Du bist ein Monster!“, musste er sich über die sozialen Medien sagen lassen, weil er Tiere schlachtet und Fleisch vermarktet. Der Gemüseproduzent in der Runde versucht, solch extreme Positionen zu erklären, und sieht die veganen und vegetarischen Trends nicht grundlegend negativ: „Es sind Menschen, die sich zumindest Gedanken machen über Ernährung und darüber, wo unsere Lebensmittel herkommen. Ihre teils extreme Sichtweise sehe ich als Reaktion und als Ausgleich für das andere Extrem, das es in unserer Gesellschaft auch gibt: Die industrielle Fleischerzeugung und die Menschen, die ohne jegliche Reflexion billigste Nahrungsmittel konsumieren.“

Das unmittelbare Gespräch mit Kunden auf Wochenmärkten und im Hofladen ist eine nahe liegende Möglichkeit, allzu extremen Positionen auf Verbraucherseite Argumente aus dem eigenen Erfahrungsschatz entgegenzusetzen. Man könnte für einzelne Produkte auch eine C02-Bilanz ausrechnen und Kunden freistellen, ob sie die für eine Klimaneutralität zusätzlichen Mehrkosten tragen wollen – so hieß es aus der Runde.

„Halte doch Vorträge über deine berufliche Entwicklung an Unis!“, lautete dann noch ein Tipp von einem Teilnehmer an einen der Quereinsteiger. Dass jemand sich nach Studium und ein paar Jahren Berufsleben in der freien Wirtschaft dafür entscheidet, voll in den elterlichen Betrieb einzusteigen, weil ihm die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln wichtiger als alle anderen Konsumgüter erscheint, könnte für viele Studenten eine wertvolle Inspiration sein – sei es für die eigene berufliche Orientierung oder fürs Einkaufsverhalten.

Der Konsens in der Gruppe lautete: Im Frühsommer, wenn die erste Heuernte abgeschlossen ist, will man sich wieder treffen. Dann voraussichtlich auf einem der beteiligten Höfe, mit einem gemeinsamen – bislang noch offenen – Thema im Fokus. Das erste Treffen der „Zukunftswerkstatt“ wird also nicht das letzte gewesen sein, und das Ziel, einen fruchtbaren Dialog unter den teilnehmenden Landwirten anzustoßen, wurde erreicht. To be continued!

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